Der Antrag war glatt durchgefallen. Einhellige Ablehnung, keine Pro-Stimmen. Es hatten zwar viele die Idee gut gefunden und die Hoffnung geteilt, es könnte sich damit etwas positiv in der Firma verändern. Aber als durchsickerte, dass die Chefetage dagegen ist, wollte keiner mehr dafür gewesen sein. Die junge Kollegin blieb als einzige Proponentin übrig und ging damit baden. Und wie.
Nach der Sitzung steht sie am Kaffeeautomaten, spürt die Blicke der anderen im Rücken und um sich die Bannmeile der Verliererin. Sie schnappt einen Gesprächsfetzen auf. Da sagt der nette Kollege aus der Arbeitsgruppe doch glatt, er habe der Sache nie reelle Chancen gegeben. Dabei war er doch ihr engster Mitstreiter gewesen. Stundenlang waren sie zusammengesessen, hatten Ideen gesponnen und Strategien überlegt. Dass er nicht für den Antrag gestimmt hatte, hatte sie noch zu verstehen versucht: Sein Standing im Betrieb ist zu prekär, um ein Risiko einzugehen. Aber dass er jetzt ihre Zusammenarbeit so ganz verleugnet. Jetzt macht er sogar eine beinahe sexistische Bemerkung über sie; wohl nur, um zu beweisen, dass er nicht mit ihr in Verbindung zu bringen ist. Der muss Angst haben, denkt sie sich – mehr traurig als abfällig. Ohne es wirklich zu wollen, dreht sie sich um und schaut ihm einen Moment lang voll ins Gesicht. Sie sucht seine Augen und findet sie nicht mehr. Dass er dann in seinem Büro die Tür zugesperrt und geheult hat, hat sie nicht mehr gesehen. Genützt hat es ihr auch nichts mehr; ihr Kündigungsschreiben war bereits aufgesetzt.
Szenenwechsel:
Sie ist zwar nur Magd am Hof des Hohen Priesters, aber es entgeht ihr nichts. Sie ist neugierig und, was sie weiß, das weiß sie. Es ist ihre Form von Macht – die einzige, die sie hat. Sie versteht es, dieses Wissen auszustreuen und andere damit unter Zugzwang zu bringen. Zuzuschauen, was dann passiert, ist eine der wenigen Freuden in ihrem dienstbaren Leben. Dass sie damit denen, die auch sie klein halten, in die Hände spielt, ahnt sie nicht.
Überhaupt macht sie das ja nicht geplant, sondern weil sie ihren Mund nicht halten kann, weil sie so gerne wichtig sein will und als Mittel dazu nichts anderes zur Verfügung hat als das, was sie beobachtet, wenn sie durchs Haus geht oder am Tor sitzt. Warum der brummige Galiläer so partout nichts mit dem verhafteten Wunderheiler zu tun haben will, hat sie nicht verstanden. Dabei hat sie die beiden ganz sicher schon zusammen gesehen. Denn sie ist zwar nur Magd, aber es entgeht ihr nichts. – Nur die Angst und die Scham hat sie nicht bemerkt. Zu gefährlich; es könnte eine wunde Stelle in ihrem Herzen berühren.
Hintergrund
Alle vier Evangelien erzählen davon, dass Petrus nach der Verhaftung Jesu im Hof des Hohen Priesters dreimal gefragt wird und dreimal abstreitet, zu Jesus zu gehören: Mk 14,66-72; Mt 26,69-75; Lk 22,56-62; Joh 18,15-18.25-27. Bei Matthäus, Markus und Lukas sind es eine oder zwei Mägde, die Petrus als Jesusjünger erkennen.
Zuvor hatte Petrus Jesus noch Treue bis in den Tod geschworen, und Jesus hatte ihm vorausgesagt, dass er ihn noch vor dem Hahnenschrei, also vor dem Morgengrauen, dreimal verleugnen werde: Mk 14,29-31; Mt 26,33-35; Lk 22,31-34; Joh 13,36-38.
Das Lukasevangelium berichtet von einem Blickwechsel zwischen Petrus und Jesus; alle erzählen davon, dass Petrus geweint hat.
Dass in den Evangelien so offen von seiner Schwäche in einem entscheidenden Moment erzählt wird, ist ein tröstliches Zeichen und ermutigt zu eigener Ehrlichkeit.
Zum Nachdenken
Wie reagiere ich, wenn es darauf ankommt, Farbe zu bekennen?
Wen habe ich enttäuscht, der oder die auf mich gehofft hat?
Kenne ich die Lust, am Anschwärzen und Weitertratschen? Und was übersehe ich dabei?
Was regt sich in mir, wenn ich mir vorstelle, dass Jesus mir in die Augen schaut?
Aus: Veronika Prüller-Jagenteufel, Den Weg zur Auferstehung weitergehen. Ein spiritueller Begleiter durch die Fasten- und Osterzeit, Vier-Türme-Verlag 2010, 54-56.