Gedanken von Silvia Lackner

Jeder Nachteil hat einen Vorteil, so heißt es. So auch diese weltweite Krisensituation. Es kommt nur drauf an, wohin wir unseren Fokus legen. Vor der Krise liefen die Menschen neben- und aneinander vorbei, großteils ohne die anderen wahrzunehmen. Jeder war versunken in seiner eigenen Welt; viele waren froh, niemandem

anderen begegnen zu müssen. Das ist jetzt anders.

Wenn ich spazieren gehe, gibt es mit so gut wie jedem anderen Blickkontakt. Ob dies aus Vorsicht ist oder einfach aus Neugier, ist schwer zu bewerten. Dennoch ist es so, dass 99 % der Menschen, denen ich begegne, ein Lächeln erwidern, oder sogar damit zuerst dran sind. Wann war dies davor der Fall?

Man begegnet einander generell achtsamer, aufmerksamer, freundlicher, hilfsbereiter, verständnisvoller, so meine Erfahrung und mein Erleben. Man schätzt einander wesentlich mehr als zuvor; viele merken überhaupt erst jetzt, wieviel ihnen andere Menschen bedeuten und wie leer es ohne sie ist. Die Wertschätzung, einander zu "haben", jemandem etwas zu bedeuten, für jemanden wichtig zu sein, und umgekehrt, ist ungleich deutlicher ins

Bewusstsein der Menschen in meiner Umgebung gerückt, und es ist im Alltag sehr deutlich geworden. Zwar gibt's auch die Motschkeranten und Suderanten, das ist fixer Bestandteil der österreichischen Mentalität, aber ich erlebe solche Aktionen eher als Ausnahme und selten. Wertschätzung füreinander und Dankbarkeit für ein Miteinander, wo und wie immer es auch möglich ist, ist aktuell stark spürbar, und ich persönlich finde das einfach großartig.

Wünschenswerterweise behalten wir uns solche Qualitäten auch weiterhin, denn sie sind ein sehr konkreter Ausdruck des Mensch-Seins. Und es ist die Aufgabe (genau genommen sogar ein Vorrecht der edleren Art) jedes Einzelnen von uns, diese Aspekte der Menschlichkeit durch unser tägliches Agieren laut in die Welt hinauszurufen und damit uns alle immer wieder daran zu erinnern, was es wirklich bedeutet, MENSCH zu sein.

In diesem Sinne: Fokus auf die wunderbaren Ereignisse, die sich in so vielen Kleinigkeiten zeigen, und das Tag für Tag, trotz allem, was als "Krise" betrachtet wird.

Silvia Lackner, Wohnhaus St. Leonhard am Forst